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Scissor Sisters - Night Work CD
Die Welt tanzt jetzt Disco 2.0
Wenn sich die Gay-Szene sich austoben will, tanzt sie zu Bee Gees, Pet Shop Boys, ABBA, Blondie, Village People, Donna Summer, den Sparks (alle: Disco 1.0) oder – den Scissor Sisters: Willkommen in der Disco 2.0!
Die sich hemmungslos im Pop-Fundus der Siebziger und Achtziger bedienende Band schaffte es mit purem Disco-Pop die Charts zu stürmen – trotz Falsett-Gesang und offensichtlichen Anleihen bei den Bee-Gees. Gut so! Wenn Pop, dann bunt. Seit Dee-lite hat das keine Band mehr geschafft. Die Pet Shop Boys wurden grundsolide und packten ihre Synthesizer ein, ein Ersatz musste her. Hier sind sie!
Jake Shears und Ana Matronic’s neuestes Werk ‚Night Work‘ dürfte aber auch wieder der Nicht-Gay-Szene gefallen. Nach dem eher sehr plüschigen Glam-Pop-Album ‚Ta Dah!’, eine quietschbunte zusammengeklaute Mischung aus Pop, Funk, Glam und Disco mit der charttauglichen Erfolgssingle ‚I don’t feel like dancing’, gab es Jahre nichts Neues von den Avantgarde-Popper mit Faible für Glitzer und Federboas.
Still ruhte der See in New York. Erste Demo-Versuche für das dritte Album schlugen fehl und landeten nach Wochen im Müll. Sänger Jake Shears versuchte die Pause als Musicalschreiber zu überbrücken und ließ die Demos länger ruhen. Scheinbar ist der Pulse der Welt – New York – doch nicht so feierstark wie Berlins Club-Szene. Denn hier holte sich Fontsau Shears seine Inspirationen für das neue Album. Party! Disco! Total und sofort! Spot an, Lala rein, abtanzen. Produzent Stuart Price verhalf der Band dann ihre Visonen auf Band zu pressen. Schick-Schnak raus, Disco-Beat rein und immer ein Auge auf die Club-Szene. Und das ist gelungen!
Auf dem neuen Werk paart sich wuchtiger Gitarren-Rock mit perfekten, funky Hooklines aus der Prä-Disco-Aera, Kunstnebel und erstaunlich gut funktionierende, fast experimentelle Klangcollagen à la Goldfrapp. Immer mit einer Prise Sex gewürzt, demon–strieren die Sisters eine enorme Vielfalt. Monotonie ist fehl am Platz, hier wird die Pop-Seele mit echter Musik aus der Dose bedient. Schliesslich werden sie gebraucht: In der Disco. Und das bieten die Sisters. 12 Tracks, immer noch mit einen Hang zur großen Geste und einer großen Portion 70er und 80er in einem Potpurri aus Glam, Synth-Pop, Funk, Elec‑
tronic. Perfekt.
Schon der Opener ‚Night Work’ glänzt mit einem Disco-Beat bei dem man unweigerlich mit dem Hintern wackeln muss – keine Chance, sich dem zu entziehen. ‚Fire and Fire‘ könnte glatt aus der Feder von Keane oder Guy Chambers (Songwriter von Robbie Williams in besseren Tagen) entsprungen sein . Spätestens beim extrem groovenden ‚Any which Way’ (mit Kylie Minogue im Background), will man nicht mehr auf den Freitag und die Disco warten und raus auf die Piste.
Abgerundet wird das grandiose Pop-Album durch Tracks wie ‚Harder you get‘ und ‚Invisible Light‘ (Anspieltipps). Die Pet Shop Boys können nach all den Jahren endlich einpacken und in Rente gehen.
Wer auf eine ordentliche Portion ‚Pop’ steht, wird hier sensationell bedient. Selten hat man ein Album gehört, wo sich Hommagen an Gary Numan, Bee-Gees, Suzi Quatro, Goldfrapp und Robbie Williams so genial paaren und trotzdem etwas sehr Eigenes dabei rauskommt. Ein Pflichtkauf für gute Laune im Jahr 2010 mit Tendenz zum Klassiker!